Schöne neue Vereinswelt?

Aus aktuellem Anlass:

Vorsicht. Dieser Text kann satirische, polemische und übertriebene Elemente enthalten. Bei Unverträglichkeit gegen einen dieser Bestandteile lieber schnell weglaufen.

So langsam gehen bei mir die Lustlämpchen aus. Jedes einzeln blinkende Licht in mir verliert seine Kraft. Ich fühle mich, als ob jemand den Stecker zog und mich mit in den Abgrund riss. Ich war Feuer und Flamme für meinen Verein. Ich war gierig auf den Duft des Grases und elektrisiert durch das Spiel. Im Januar 2014 ist nicht mehr viel übrig geblieben von meiner Liebe für Fußball. Ich bin müde und fühle mich krank. Infiziert vom Schatten der Macht und des Geldes liege ich sterbend in meinen eigenen Armen.

Es macht einfach keinen Spaß mehr, dass ich seit Jahren mit ansehen muss, wie die Gier nach Erfolgen und das Streben nach Geld meine Liebe zu meinem Verein zerstört. Ich war süchtig und verliebt. Ich spritzte mir täglich wie ein Junkie eine Überdosis des kostbaren Spieles. Heute sitze ich frustriert und zurückhaltend in einer Ecke und frage mich ernsthaft, wie der Trauernde am Sarg seiner Liebsten:

Warum?

Ist es einfach nur der Lauf der Dinge? Der Markt bestimmt die Nachfrage. Dabei sollte ich doch stolz sein; stolz auf vergangenen Sonntag. Wo ca 10 % der Mitglieder für einen Kurswechsel stimmten. Instrumentalisiert von einem Stück Papier und einem Redner, der sich aufführte als sei er der Diktator der Massen. Ich fühle mich leer.

Als ich am Montagmorgen erwachte, aus meinem Schlaf gerissen wurde und hoffte, dass alles nur ein Traum war, da wurde mir beim Gang durch die dunkle und kalte Wohnung bewusst: Es ist die Realität. HSVplus wird kommen. Es ist noch ein kleiner Weg bis zum endgültigen Verlust der 126jährigen Identität, doch im Grunde eine reine Formsache.

Muss ich mich nun neu einkleiden, nachdem andere die Ausgliederung wollen? Muss ich mich den neuen Gegebenheiten anpassen? Das e.V wird verschwinden und eine AG wird erwachen. Aus einem eingetragenen Verein wird eine Aktiengesellschaft der Zukunft. Wie das klingt- A-k-t-i-e-n-g-e-s-e-l-l-s-c-h-a-f-t. Wow, ekelhaft, nach Arbeit statt Freizeit. So suchte ich mir am Montagmorgen die passende Kleidung heraus, zog mein Hemd an und rundete es diesmal mit einer Krawatte und zum Höhepunkt einem geschmeidigen Burberry-Schal ab. Gelte meine Haare, zog weißes Pulver und fühlte mich stark für den Tag.

Die Aussicht ein Mitglied einer Aktiengesellschaft zu werden – ja, es klingt nach Zockerei und Glitzerwelt. Nach halbnackten Frauen und Kokain. Tragen wir bald alle einen Börsenpager mit uns herum? Im Süden des Landes, der allgegenwärtige Uli Hoeneß, Präsident der Fußball-AG FC Bayern München und unser Vorbild der Gegenwart, lässt grüßen. Nehmen wir anstatt unserer Fahnen bald die Financial Times mit ins Stadion?

Ich habe keine Lust mehr. Die Bundesliga öffnet ihre Pforten am kommenden Wochenende und mein Akku ist leer. Ich fühle mich wie ein Tropfen Wasser in der Wüste. Doch wen interessiert schon meine Meinung? Ich bin ein kleines Rädchen im sich bewegenden Zentrum der Macht. Dabei ist es doch nur ein Spiel. Man kann Glück oder Pech haben. Wenn die Ausgliederung kommt, habe ich leider Pech.

Ich sehe den Sinn, aber verstehe ihn nicht. Ich war der Meinung – bis Sonntag – uns könne das nicht passieren. Ich hielt es nie für möglich, in einem Atemzug mit Bayern München, Wolfsburg oder Leverkusen genannt zu werden. Ab Sommer ist es vorbei. Wir werden nichts anderes sein als ein Verein, in dem das Geld regieren wird. Wir werden uns Investoren ins Boot holen, um den sportlichen Erfolg zu gestalten. Dabei kennen sie bis heute in Hamburg schon nicht den Unterschied zwischen Schulden und Verbindlichkeiten. Ich ahne Böses.

79,4 % sind dafür. Ein demokratisches Ergebnis? Sie standen applaudierend in den Sälen, riefen Bravo und huldigten ihrem Redner. Ich dachte, der Weltfrieden sei beschlossen, dabei wurde das kapitalistische Monster begrüßt. Wedle den Massen mit Geldscheinen zu, versprich ihnen Erfolg und eine Umstrukturierung und sie werden dir folgen. Kopflos wie im Dritten Reich.

Dabei ist heute nicht einmal bekannt, wer als Investor kommen wird, wer die Geschicke der Hamburg AG regieren wird. Egal. In der Satzung steht es deutlich:

HSVPLUS §11 Pflichten der Mitglieder 1  „…Den Anordnungen des Präsidiums und der von ihm bestellten Ausführungsorgane und Ausschüsse in allen Vereinsangelegenheiten, den Anordnungen der Abteilungsleiter in den betreffenden Sportangelegenheiten haben die Mitglieder Folge zu leisten“

Was übersetzt bedeutet: Die Mitglieder werden an Einfluss verlieren. Das Präsidium wird euch, liebe Mitglieder, also in euren Entscheidungen entlasten. Egal, oder? Die Massen sind verblendet von der Gier des Geldes und in Ausblick auf glorreiche Zeiten. Erbärmlich.

Spielt euer Spiel, wie ihr es für richtig haltet. Meine Auswärtsdauerkarte werde ich in dieser Rückrunde noch glühen lassen, nicht ohne mir dabei ernsthaft zu überlegen, ob es meine Abschiedstournee wird. Ich verlasse den Pfad des Geldes und eurer Gier. Ich lebe lieber in meiner Nostalgie, als Teil eurer „Ideologie“ zu sein.

Oh, mein Börsenpager piept. Ich bin dann weg. Viel Spaß in eurer neuen schönen Welt. Lasst euch nicht fressen.

Es grüßt mit bedenklichen Grüßen:
Christian E.

NUR DER HSV