Die elf Fragezeichen

Am vergangenen Samstag war es endlich wieder so weit. Nach meiner mehr als sechswöchigen Babypause durfte ich meine Helden wieder live und in voller Farbe bei einem ihrer farb- und glanzlosen Auftritte erleben. Ich kann nicht behaupten, dass ich es vermisst hätte, im Gegenteil. Hohe und demütigende Spielergebnisse gehören mittlerweile zum Alltag eines HSV-Fans.

Als am Samstagmittag die Reise ins 250 Kilometer entfernte Dortmund losgehen konnte, muss ich gestehen, dass ich zum ersten Mal schweren Herzens zu einem Fußballspiel aufgebrochen bin. Nicht dass ich nicht schon von vorneherein gewusst hätte, dass es heute eine Packung geben würde, das nicht. Es fiel mir schwer, mich von meinem 3 Wochen alten Sohn  loszureißen und Stunden lang von dem kleinen Mann getrennt zu sein. Wahnsinn, welch eine Anziehungskraft ein so kleines Bündel Mensch doch entfachen kann. Welche Kraft die kleinen Augen entwickeln können, in denen ich lesen konnte: „Bleib hier lieber Papa, der Weg lohnt sich eh nicht“.

Ich erzählte auf der Fahrt nach Dortmund auch Heiko, dass ich mich nur schwer von meinem kleinen Bub trennen konnte. Er sagte: “Schlimm wird es dann erst, wenn die Mannschaft im Spiel untergeht: Man ärgert sich über unsägliche Auftritte und muss sich am Ende sogar schämen. Dann wäre man doch gerne bei seinem Kind geblieben.“ Ahnte er schon, was an diesem Abend die mitgereisten Fans erwarten würde? Ich hatte mich so gefreut. Das erste Spiel nach Wochen im neuen Leben. Samstagabend, Flutlicht und die Krönung: Dortmund. So stand ich nun wieder da und musste zusehen, wie der BVB uns auseinander nahm, in feine kleine Stücke filetierte und unseren Profis zeigte, was einen richtigen Bundesligaverein ausmacht.

BVB Dortmund – Hamburger SV 6:2

Am liebsten würde ich jeden Einzelnen auseinander pflücken. Würden die Herrschaften nur 10% der Leistung erbringen, die meine Freundin bei der Geburt aufgebracht hat, wir würden alle singen: „Wer wird deutscher Meister? Ha ha ha HSV“. So aber singen die Gegner: Absteiger, Absteiger, Absteiger. Würde die Zukunft der Menschheit von der Wehentätigkeit unserer HSV-Spieler abhängen, wir würden aussterben. Wir dürfen ja in Dortmund verlieren. Selbst Real Madrid verlor im Westfalenstadion. Doch ganz ehrlich. Ihr seid mir langsam peinlich.

Ich muss gestehen: Ich kann mir die Scheiße, die ihr spielt, nicht mehr ansehen und mag leeren Phrasen, die ihr zur Entschuldigung von euch gebt, nicht mehr hören. Ihr verderbt mir den ganzen Spaß an den Auswärtsfahrten. Keiner sagt was, wenn ihr in Dortmund als Verlierer vom Platz geht. Es würde sich auch niemand aufregen, wenn ihr über 90 Minuten kämpft und am Ende verlieren solltet. Doch wenn man euch auf dem Platz rumeiern sieht, ohne Lust, die Hosen voll wie mein kleiner Sohn nach dem Genuss eines Liters Muttermilch – da könnte ich kotzen.

Ich kann ebenso wenig verstehen, dass man sich das 2:2 erkämpft, 12 tolle Minuten spielt und der Trainer die 12 Minuten feiert. Doof ist es, dass ein Spiel 90 Minuten dauert. Verdammt. Wie kann man sich so vorführen lassen? Wie ist es möglich, dass ihr nach dem 2:2 die Köpfe hängen lasst und euch von Dortmund so an die Wand spielen lässt? Ihr habt null Eier in der Hose, ihr verdient es nicht, dieses Trikot zu tragen. Ihr verdient unsere Unterstützung nicht. Wir schreien uns die Seele aus dem Leib, um euch zu unterstützen und was gebt ihr zurück? Einen Scheiß. Nichts. Wenn das mit euch so weitergeht, dann könnt ihr mich. Dann bleibe ich wirklich lieber bei meinem kleinen Sohn und verbringe die Zeit mit ihm. Meine Zeit mit euch ist vergebene Liebesmühe.

Da war noch alles gut
Da war noch alles gut

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Doch nicht alles an diesem Tag war schlecht.

  • ich habe gelernt, wie ältere Herren ohne Brille schreiben: inten linde bin Jojo. Übersetzt; links unten bei Jojo. Danke Frank.
  • wir Fans waren wieder einmal die würdigen Vertreter unseres HSV und supporteten die Mannschaft
  • nach dem 2:2 war es ein Feuerwerk aus Leidenschaft und Gesang und die Südkuvre des BVB war nicht mehr zu hören. Was im übrigen auch sonst der Fall war. Bis auf euren Stimmungsblock in der Mitte seid ihr auch nicht laut
  • vielen Dank an die Torlatte, die weitere Gegentreffer gekonnt vereitelte
  • vielen Dank an die Spieler des BVB, die nach dem 6:2 schon Neapel im Kopf hatten
  • bei der Van der Vaart Auswechslung wurde einem klar, dass Holländer keine gern gesehenen Gäste sind. Die Pfiffe waren das lauteste an diesem Tag
  • wir haben wie in München 2 Tore erzielt
  • Heiko Westermann trifft erneut bei einer hohen Klatsche, wie beim 2:9 in München
  • ich habe nach langer Zeit wieder viele Freunde begrüßen können
  • im Gästebereich gab es Bier mit Alkohol. 2,9% Olé.
  • und endlich wieder eine Bierdusche

Dortmund war Geschichte und Trainer Fink machte einen auf Aogo

Vielleicht wollen SIE sich, liebe Leser, um den Posten als HSV-Trainer bewerben. Oder eine Initiativ-Bewerbung als Sportchef oder Aufsichstratchef abgeben? Dann ist die erste Vorraussetzung, dass sie ein Träumer sein sollten. Beispiele eines guten Träumers:

  • wir spielen wie beim Auftritt 2012 in Dortmund überzeugend und gewinnen erneut mit 1:4
  • wir beginnen mit 3 Innenverteidigern und wechseln im Minutentakt das System, in der Hoffnung, dass es funktioniert
  • wir grüßen im Anschluss des Dortmund-Spieles mit 7 Punkten und einem positiven Torverhältniss
  • die Sonne scheint
  • Freibier
  • Kein Skyexperte in Form von Lothar Matthäus anwesend

Wenn Sie solche Träume träumen, dann sind Sie mit solchen Träumereien der perfekte Part eines Verantwortlichen für den Hamburger SV. Sie sind mit Ihren Träumen der perfekte Trainer, die ideale Besetzung des Sportchefs und die Kaiserlösung für einen Aufsichtratsvorsitzenden.

Bewerbungen nimmt der Weihnachtsmann entgegen.

Weihnachtsmann
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Wir sehen uns in Frankfurt. Und sollte bis dahin ein Markus Babbel auf der Bank sitzen, dann zerreiße ich meine Karte. Und die für Nürnberg und Freiburg ebenso. Für den Fall, dass ihr dort erneut so untergehen solltet. Eines noch vorweg: Die Menge an Würstchen kann ich gar nicht essen, die ich kotzen möchte.

Und bevor jetzt wieder diese ganze Scheiße kommt mit “ Wahre Fans halten auch in schlechten Zeiten zusammen“ und diese ganzen anderen Spastisprüche, dann muss ich euch sagen, dass man euch als Kind zu oft vom Wickeltisch hat fallen lassen.

Tschöö…
Christian E.

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