Es war endlich wieder Wochenende. Es war Samstagmorgen. Das Auswärtsspiel in Hannover stand an und so machten sich meine HSV-Genossen, Heiko und Peter sowie meine Wenigkeit auf, um im 400 Kilometer entfernten Hannover den nächsten Auswärtssieg unserer Jungs zu bejubeln. Die Fahrt war eine Angelegenheit aus Wind und Schnee, dazu Wischwasserdüsen, die ihren Dienst vorzeitig einstellten. Trotz aller Widrigkeiten an diesem Morgen wurde die Stadtgrenze von Hannover pünktlich passiert und das erste Missgeschick des Tages sollte folgen. Wie heißt eigentlich das Stadion in Hannover nochmal? TUI Arena oder LTU Arena? Wir wussten es nicht und tippten auf TUI Arena. Das Navi führte uns im Kreis herum und so stand man kurze Zeit später vor einer größeren Sporthalle mit dem wunderschönen Namen: TUI Arena. Vom Stadion aber war weit und breit nichts zu sehen. Nachdem uns Yvonne den richtigen Stadionnamen zutwitterte, war es uns allen klar. AWD Arena. Wie konnte man es auch vergessen?
Die Stadiontore in Sichtweite, die Freunde aus Hamburg wurden begrüßt und nun warteten wir auf die fehlende Karte. Peter, der ohne Karte angereist war, wurde irgendwann zu ungeduldig und so beschlossenen wir, die sich nächstbietende Gelegenheit anzunehmen. Sekunden später ergab sich die Chance und Peter ersteigerte bei einer extra dafür angereisten Reisegruppe aus dem Osten – die einfach nur mal Fußball gucken wollten, das erhoffte Ticket. Peter zog mit der Reisegruppe von dannen und musste kurze Zeit später feststellen, dass der Platz auf der Seite der Roten war. Von dem Dilemma bekamen Heiko und ich zuerst nichts mit und so machten wir es uns im Stehplatzbereich gemütlich. Der Anpfiff war zum Hören nahe. Da an diesem Tag Materialverbot bestand, aufgrund von Pyrotechnik im vergangenen Jahr, waren in diesem nur Trommeln und das Megaphon zugelassen. Umso erstaunter war ich, als plötzlich mehrere Schwenkfahnen den Weg in die Kurve fanden und das Gesamtbild des trüben Tages in ein kleines blaues Fahnenmeer verzauberte. Abgerundet wurde das Ganze mit einem farblichen Konzert, bestehend aus Pyrotechnik sowie einem laut schallenden Gesang. Es konnte losgehen.
Neben der obligatorischen Hüpfeinlage und dem Kunstwerk aus Farben im Schneetreiben von Hannover schien der Rauch in den Köpfen einiger HSV-Anhänger einen Blackout angerichtet zu haben. Willenlos ging man schon wie des Öfteren in den vergangen Spielen aufeinander los und prügelte sich untereinander. Selbst unser Vorsänger konnte durch einen Hinweis, das Geschehen doch lieber einzustellen, nicht beruhigend wirken. Ich finde es traurig, dass sich untereinander in die Fresse gehauen wird. Warum? Liegt es am Alkoholkonsum oder war es der Frust über die Kälte? Ganz groß mal wieder. Die schwache Leitung auf den Rängen sollte auch bald auf die Mannschaft übergreifen.
Diouf spielte im Sechzehnmeterraum Verstecken mit einem Mitspieler und sprintete hinter dessen Rücken los, unsichtbar für Hamburgs Verteidiger, kam alleine vor Adler zum Kopfball und wuchtete den Ball am verdutzen Tormann zum 1:0 ins Tor. Die Verblüffung in den Gesichtern der Spieler deutlich abzulesen – wo kam denn der her? Doch die Reaktion folgte und ließ nicht lange auf sich warten. Als Aogo im Sechzehnmeterraum zu Fall gebracht wurde, verwandelte VDV den berechtigten Strafstoß zum 1:1 in die Maschen. Ich war zu diesem Zeitpunkt der festen Überzeugung und sagte zu Heiko: „Das gewinnen wir noch“. Haha. Das Spiel wurde von beiden Mannschaften weiter angenommen und das Tempo auf beiden Seiten war hoch. Chancen gab es hüben wie drüben. Doch an diesem Tag war das Glück auf der Seite der Roten. Nachdem Adler, wie ich finde unnötig, aus seinem Kasten läuft und den im Vollsprint laufenden Pinto von den Beinen holt. Elfmeter. 2:1. Doch es kam noch schlimmer. Nach einigen unnötigen Aktionen und einem Horrorpass von Westermann in den Lauf von Ya Konan vollendete der Stürmer von der Elfenbeinküste mit einem sehenswerten Distanzschuss das 3:1. Adler sah erneut schlecht aus und war an den ersten drei Toren maßgeblich beteiligt. Halbzeit: 3:1.
Es war Pause, die Kräfte sollten gesammelt werden und so begab ich mich den steilen Aufgang aus Block S17 nach oben, um oben angekommen festzustellen, eben den Mount Everest bestiegen zu haben. Mein Ziel. Becher abgeben und Pfand einkassieren. Doch, ich machte die Rechnung ohne die, sagen wir, etwas kräftigere Dame hinter dem Tresen. Als ich ihr meinen Becher hinhielt: „Nehm ich nicht zurück. Der ist kaputt. Kannst du nicht lesen. Da oben steht es. Defekte Becher nehmen wir nicht zurück“.
Die Dame, ein Umriss ohne Lächeln, ließ auch nicht mit sich verhandeln und bestellte mir ein neues Getränk. Ich weiß nicht, wer schon in Hannover war, aber an den Griffen der Becher ist in der Mitte des Griffes eine Sollbruchstelle. So erweckte es zumindest den Anschein und mir war klar. Abzocke. Und so sah ich etliche Becher am Boden liegen, die Griffe fehlend, ein behinderter Becher. Achtlos liegen gelassen. Herr Kind dagegen freut sich. Pro nicht zurückgegeben Becher: einen Euro in die Tasche.
Die zweite Hälfte begann. Das Spiel wurde sofort angenommen und Hannover wurde so langsam müde. Gute Torchancen erspielten Aogo, Son und VDV und die Hoffnung war groß auf den Anschlusstreffer. Ein Raunen im Block folgte dem nächsten, die Stimmung war laut und gut, doch es folgte das, was immer folgt wenn die Chancen vergeben wurden. Die 68. Minute. Rausch tanzte durch den Strafraum, umgeben von 9 Hamburger Feldspielern und sein Pass staubte erneut Ya Konan am Fünfmeterraum ab und schob die Kugel unbedrängt zum 4:1 ins Tor. War ja klar, dachte ich mir. Wir machen das Spiel, Hannover stehend K.O, aber wir kassieren das vierte Gegentor. Die Anzeigetafel über der Nordkurve zeigte die Wahrheit.
Als ich schon mit dem Schlusspfiff rechnete, die letzten fünf Minuten einfach im Block nur so dastand und sich ungläubig umschaute, da spielte Hannover noch einen wunderschönen Konter und Mo. Abdelloue schoss die Kugel zum 5:1 Entstand ins Hamburger Gehäuse. Applaus. Folgerichtig beendete der Schiedsrichter die Partie und wir durften die Heimfahrt antreten.
Was bleibt? Der Traum von Konstanz und Europa. Die gute Nachricht des Tages: Peter fand nach einer Odyssee durch das Niedersachsenstadion doch noch seinen Platz und kann nun als Stadionführer in Hannover arbeiten. Über Umwege und Kartentausch gelang er noch pünktlich zum Anpfiff in Block W1. Mein Dank gilt auch Heiko, der an diesem Tag die 800 Kilometer ohne viel Stress genommen hat und Peter, sowie mich gesund nach Hause gebracht hat. Vielen Dank! Danke auch an Yvonne aus Hamburg für die Stehplatzkarte und die Karten für das Auswärtsspiel in München. Das wird ein Spaß in der Arroganz Arena. Zu guter Letzt ein Ratschlag an die Herren Arnesen und Fink. Wie man gestern im Aktuellen Sportstudio sehen konnten, würde es mehr Sinn ergeben sich mit dem Vater von Heung-Min-Son über eine Vertragsverlängerung zu unterhalten. In diktatorischem Stil durften die warmen Worte seines Vaters aus Südkorea gestern an der Mattscheibe bewundert werden und es wurde einem klar. Der Kleine hatte keinen Spaß, als er klein war.
In diesem Sinne. Fürth wartet. Wir sehen uns in München wieder. Kämpfen und siegen. NUR DER HSV.
Ich verabschiede mich mit den Worten von M. Abdelloue im Interview auf die Frage wie er sich fühle: „Totaly Kaputt“.
Christian E.